Die Wahlen von 1984 bescherten Israel fast Weimarer Verhältnisse.
Insgesamt 13 Parteien zogen in die 120 Abgeordnete fassende Knesset ein, wobei die drittgrößte Partei Tehyia gerade
fünf Sitze erringen konnte. Großer Verlierer der Wahlen war der Likud-Block, der zahlreiche Stimmen an die neue
Schass-Partei und an rechte Parteien verlor, die vehement für eine verstärkte Siedlungspolitik eintraten. Die
normalerweise ohnehin schon schwierigen Koalitionsverhandlungen in Israel, bei denen jede Kleinstpartei/Liste auf
Sonderinteressen besteht, gerieten 1984 in eine Sackgasse. Nur mit großem Widerwillen konnte eine Große Koalition
gebildet werden, die sechs Jahre einen sehr wackeligen Bestand hatte.
Jeweils nach 2 1/2 Jahren wechselten die beiden großen Parteien den Premierministerposten und diverse Ministerien,
um die starken Rivalitäten zwischen den Parteiblöcken überbrücken zu können. Die ohnehin schon bestehenden schweren
Koordinationsproblemen zwischen den verschiedenen Ministerien wurden nun zusätzlich noch von dem Gegensatz zweier
völlig konträrer Ideologien überdeckt, so daß die Siedlungspolitik nur auf der Basis des kleinsten gemeinsamen
Nenners fortgeführt werden konnte.
In der Labour-Partei war der frühere Außenminister Abba Eban der führende Exponent der Tauben, der eine permanente
Herrschaft über die Palästinenser ablehnte, da die moralischen, politischen, soziologischen und ökonomischen Kosten für
Israel zu hoch seien. Als Befürworter des Allon-Planes trat er allerdings für die Besiedlung Jerusalems, des Jordantals
und der grünen Grenze ein.
Shimon Peres, der Vorsitzende der Labour-Partei, hatte sich nach der Wahlniederlage von 1977 von einem Falken zu einem
Gegner des Siedlungsbaus und der Annexion gewandelt, während sein parteiinterner Konkurrent Y. Rabin die härteste
Position einnahm, da er ähnlich wie Dayan die Sicherheitsaspekte stärker in den Vordergrund stellte.
Generell hatte sich die Labour-Partei im Hinblick auf die schwere Wirtschaftskrise und die Kürzungen im sozialen
Bereich im Wahlkampf 1984 darauf geeinigt, auf alle öffentlichen Investitionen in der Westbank zu verzichten und damit
fast 400 Millionen $ einzusparen.
In der Großen Koalition konnte man sich dann nur auf einige gemeinsame Eckpunkte einigen:
- - keine Wiederherstellung der Grenzen vor 1967
- - keine Verhandlungen mit der PLO
- - kein palästinensischer Staat
- - keine Teilung von Jerusalem.
Im September 1984 wurden in einer Koalitions-Übereinkunft die Neugründung von sechs Siedlungen in den folgenden 16
Monaten beschlossen. Der dafür verantwortliche S. Peres genehmigte indes in diesem Zeitraum de facto nur eine einzige
neue Siedlung (Migdalim; Dez. 1985), während sein Nachfolger Shamir in seiner Amtszeit die Siedlungstätigkeit wieder
forcierte.
Insgesamt wurden in der ersten Amtszeit der Großen Koalition bis 1988 aufgrund des Widerstandes von Labour nur zehn
neue Siedlungen gegründet. Die Ausgaben für die Siedlungen wurden dementsprechend spürbar gesenkt, so daß sie 1985
lagen sie nur noch in der Größenordnung von 150 Millionen $ lagen.
Das eigentliche Wachstum war in dieser Periode in den bereits existierenden Siedlungen zu verzeichnen, die
vergrößert wurden und sich immer stärker zu Pendler-Vorstädten der Metropolen entwickelten.
Wahlen 1988
Bei den Wahlen von 1988 gab es erneut zwei in etwa gleich starke Blöcke, so daß die Große Koalition trotz schwerster
Bedenken nach monatelangen Koalitionsverhandlungen fortgeführt wurde. Einer der umstrittensten Aspekte war dabei die
Anzahl von neuen Siedlungen in der Westbank. Vereinbart wurden acht neue Siedlungen. Jede weitere Siedlung bedurfte der
Zustimmung von Finanzminister Peres und des inneren Kabinetts, d.h. die Labour-Partei erhielt ein Vetorecht gegen
weitere neue Siedlungen.
Der Widerstand der Labour-Partei gegen neue Siedlungen bedeutete aber nicht eine generelle Opposition gegen die
jüdischen Siedlungen, ganz im Gegenteil. Die Gesamtsiedlerzahl (exkl. des annektierten Ost-Jerusalem)
verdoppelte sich im Zeitraum der Großen Koalition von
42 600 auf knapp 90 000. Der Zuwachs war überwiegend im Großraum Jerusalem zu verzeichnen, von jeher die oberste
Siedlungspriorität der Labour-Partei.
Überschattet wurde die zweite Amtszeit der Großen Koalition vom
Ausbruch der Intifada, dem palästinensischen Aufstand in den besetzten Gebieten. Die
hochgerüstete israelische Armee, die alle angreifenden arabischen Armeen besiegt hatte, war gegen diesen Gegner
weitgehend machtlos und konnte den Aufstand nicht niederringen. Das harte Vorgehen des israelischen Armee gegen die
meist jugendlichen Aufständischen lenkte jedoch die Weltöffentlichkeit verstärkt auf das Problem der jüdischen
Siedlungen.
Aufgebrachte jüdische Siedler, die um ihre Sicherheit fürchteten und in Wild-West-Manier Selbstjustiz übten, prägten
ein zunehmend schlechter werdendes Bild der Siedler in der Öffentlichkeit.
Gush Emunim organisierte z.B. im März 1988 in Tel Aviv eine der größten Demonstrationen Israels, mit schätzungsweise
200 000 Personen und versuchte die Öffentlichkeit für ein noch härteres Vorgehen gegen die Intifada zu mobilisieren. In
einer Umfrage im Juni 1989 glaubten 59%, daß eine Verschlimmerung der inneren jüdischen Auseinandersetzungen zu einem
Bürgerkrieg führen könnte.
Hinzu kamen die ökonomischen Kosten der Intifada, die sich für Israel auf 1,5 bis 2 % des BSP beliefen.
In dieser Situation polarisierten sich die politischen Lager in Israel. Auf der einen Seite wuchs die Erkenntnis
bei Teilen der Bevölkerung, daß die Kosten der Besatzung für die Wirtschaft, die Moral und das Ansehen Israels zu hoch
waren und nur ein Friedensprozeß das Problem lösen konnte, während auf der anderen Seite sich die Jetzt-erst-Recht
Mentalität verstärkte.
1990 führte dann der Friedensplan von US-Außenminister Baker indirekt zum Sturz der Großen Koalition. Baker
verknüpfte in seinem Plan eine 400 Millionen $-Kreditgarantie für die Eingliederung der russischen Einwanderer nach
Israel mit einem Baustop in den besetzten Gebieten. Premierminister Shamir wollte eher auf die Kreditgarantie
verzichten als auf den Baustop, während Peres den Friedensplan unterstützte. Dieser Streitpunkt brachte die Große
Koalition zum Einsturz.
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