Die Grundlage für die neuzeitliche jüdische Besiedlung Palästinas ist der Zionismus, ein Produkt des ausgehenden 19.
Jahrhunderts, das im Zeichen von Nationalismus und Imperialismus stand. Ein säkular ausgerichteter Nationalismus war im
Judentum bis zu diesem Zeitpunkt unbekannt, und der Zionismus als besondere jüdische Form des Nationalismus hat sich
auch erst im Laufe des 20. Jahrhunderts bei weiten Teilen des Judentums durchgesetzt. Gleichwohl vollzog sich dieser
Prozeß in schmerzhaften Etappen.
Im 18. Jahrhundert noch weitgehend rechtlos, wurde den Juden im Laufe des 19. Jahrhunderts in den meisten west- und
mitteleuropäischen Staaten eine schrittweise, rechtliche Gleichberechtigung und Emanzipation gewährt. Der Großteil der
westeuropäischen Juden ging dabei den Weg aus dem bedrängenden, isolierenden Ghetto hinaus in die Assimilation an die
sie umgebende, christliche Kultur des jeweiligen Staates. Ein eigener jüdischer Nationalismus mit einer Bindung an
Palästina verkörperte für diese Juden keine verlockende Alternative. Religion war nicht mehr ihr Hauptinhalt, denn sie
sahen sich selber als Staatsbürger jüdischen Glaubens an.
Anders stellte sich jedoch die Situation in Osteuropa und speziell in Rußland dar, wo die Juden sich nur in einem
festgelegten Siedlungsgebiet (Rayon) aufhalten durften und noch zahlreichen Beschränkungen unterlagen, fern der
rechtlichen Gleichstellung in Westeuropa und den USA. Wie unsicher die Stellung der Juden war, zeigte 1881 das
tödliche Attentat auf den Zaren: im ganzen Lande wurden Juden pogromartig verfolgt und getötet.
Dieser offene Antisemitismus in weiten Teilen der Landbevölkerung Rußlands und die sich ausbreitenden antisemitischen
Organisationen in vielen Teilen Europas führten zu einem Umdenkprozeß einiger jüdischer Intellektueller aus
demaufgeklärten Milieu Ost- und Mitteleuropas, die, desillusioniert über die jüdische Emanzipation und Assimilation,
daraufhin die Idee des Zionismus entwickelten und propagierten. Der Zionismus sollte einen jüdischen Staat schaffen,
durch den die unterdrückten Juden eine Heimstätte finden und zu einer Nation wie alle anderen werden, womit letztlich
auch der Antisemitismus seine Basis verlieren sollte. Triebkraft des Zionismus war allerdings nicht die jüdische
Religion, sondern in erster Linie der Antisemitismus.
Dieser säkulare Geist des Zionismus war europäisch-liberal geprägt und rebellierte zugleich gegen die traditionelle jüdisch-orthodoxe Schtetl-Welt Osteuropas. Anstelle der weitverbreiteten Passivität und
Opferbereitschaft der Juden sollte das Bild vom selbstbewußten, aktiven und verteidigungsbereiten Juden gestellt
werden. Ein Staat sollte aufgebaut werden, der als tolerantes Vorbild für die Weltgemeinschaft gelten sollte, auf
Grundlage des jüdischen Humanismus. "Dabei wurde das religiös-messianische Konzept der Erlösung durch ein
säkular-politisches Konzept ersetzt".
Einen echten Aufschwung erhielt die Einwanderung nach Palästina jedoch erst durch Theodor Herzl, der seine
zionistischen Gedanken 1896 in seinem Werk "Der Judenstaat" darlegte. Mit der Gründung des Zionistischen Kongresses
(1897) und verschiedener Gesellschaften in Palästina wurde daraufhin in kurzer Zeit die organisatorische Grundlage für
eine zionistische Einwanderung gelegt.
Die Vorgehensweise prägten in der ersten Phase die "Praktischen Zionisten". Im ersten Schritt errichteten sie
Siedlungen, um die Praktikabilität des Projekts unter Beweis zu stellen. Erst im zweiten Schritt sollte dann die
Legalisierung dieser Siedlungen erfolgen. Somit sollte in unauffälligen Etappen die Grundlage für einen zukünftigen
Staat gelegt werden.
Die "Politischen Zionisten"(Revisionisten) unter Führung von Jabotinsky dagegen, in der
Tradition von Herzl stehend, bemühten sich zunächst um legale und politische Garantien für den jüdischen Staat, als
Voraussetzung für den folgenden praktischen Aufbau in vollem Umfange. Erste Erfolge erreichten sie 1917 mit der
britischen Balfour-Deklaration, die den Juden eine Heimstätte in Palästina zusicherte und ihre Siedlungen in Palästina
erstmals rechtlich absicherte.
Die "Religiösen Zionisten" akzeptierten zwar die politischen Ziele des säkularen Zionismus, sorgten sich sonst aber in
erster Linie um den Aufbau eines eigenen separaten, religiösen Netzwerkes.
Diese drei zionistischen Grundströmungen sind bis heute in der israelischen Politik relevant. Aus dem "Politischen
Zionismus" entwickelte sich der Revisionismus und später die Herut-Partei sowie der Likud-Block. Der "Praktische
Zionismus" dominierte durch die Arbeiterparteien für eine lange Zeit das politische Geschehen in Palästina/Israel,
während der "Religiöse Zionismus" später durch die Nationalreligiöse Partei vertreten wurde, die eng mit den
Arbeiterparteien zusammenarbeitete.
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