Netanyahu: Die Siedlungspolicy
Die Siedlungspolicy
1996 gewann der Likud-Politiker Benyamin Netanyahu mit knapper Mehrheit die erste Direktwahl eines Ministerpräsidenten
in der Geschichte Israels. Das neue Wahlsystem stärkt zwar die Stellung des Premierministers, nichtsdestotrotz muß er
sich auf eine Koalition stützen, in der seine Likud-Partei
weniger als die Hälfte der Koalitionsabgeordneten stellt und deshalb sehr anfällig für die Wünsche der einzelnen
Koalitionspartner ist. Solch eine schwache Position innerhalb einer Regierung hatte bisher noch keine der beiden
großen Volksparteien.
Netanyahus Regierungsperiode zeichnet sich im Hinblick auf die Siedlungspolitik durch große Schwankungen aus.
Eine feste Linie ist zunächst nicht zu erkennen, da er zwischen dem sehr starken äußeren Druck der USA und den Wünschen
der Koalitionspartner, die überwiegend einen weiteren Ausbau der Siedlungen befürworten, balanciert und dabei versucht,
das Unmögliche zu verwirklichen: Frieden bei gleichzeitigem Neubau jüdischer Siedlungen.
Netanyahu selber befürwortet das Konzept der Siedlungsblöcke, das im Prinzip auch die Labour-Partei unterstützt.
Entlang der Haupt- und Umgehungsstraßen soll ein Siedlungband geschaffen werden, flankiert von einer subventionierten
Förderung von Hausbau, Industrie und Handel.
Im Gegensatz zu Labour soll sich aber der Ausbau der Siedlungen nicht nur auf die im Großraum Jerusalem
konzentrieren, sondern auf alle Siedlungen. Einschränkend betonte Netanyahu jedoch, daß in den bestehenden
Siedlungen keine Grenzerweiterungen zuungunsten palästinensischer Landbesitzer vorgenommen werden. Die Siedlerzahl in
den besetzten Gebieten prognostizierte er bis zum Jahre 2 000 auf
ca. 200 000 (exkl. Ost-Jerusalem).
Diese Leitlinien der Regierung wurden jedoch im Jahre 1996 noch nicht sofort in konkrete Maßnahmen umgesetzt.
Befürworter einer Siedlungsexpansion sahen sich vorerst getäuscht.
Nach seiner Regierungsübernahme verkündete Netanyahu zwar die Gründung weiterer Siedlungen, im Herbst 1996 rückte er
jedoch auf Druck seines Koalitionspartners Third-Way-Partei wieder von dieser Position ab. Einzig die Verfügbarkeit
über Land und Geld wurde sofort nach der Machtübernahme erleichtert, während neue Bauprojekte erst nach einigen Monaten
und dazu in relativ kleinem Maßstab anliefen.
Dieses Beispiel demonstrierte ein scheinbares Paradoxon der israelischen Politik:
Likud-Regierungen haben es, bei Wohlwollen in der eigenen Partei, tendentiell leichter, einen
Frieden zu schließen und Labour-Regierungen können mit einem geringeren Widerstand Siedlungen bauen.
Neue große Siedlungsprojekte wurden von Netanyahu in den ersten Monaten seiner Regierungszeit nicht gestartet. De
facto setzte er also in erster Linie die bestehenden Bauprojekte der Labour-Regierung fort.
Nichtsdestotrotz lenkte Netanyahu durch ideologische Ankündigungen über den Siedlungsausbau die internationale
Aufmerksamkeit wieder auf die Siedlungen. Besorgt zeigte sich besonders die Clinton-Administration, deren Kritik an den
ständigen Ankündigungen Netanyahus immer stärker anwuchs. Erstmals wurde die Siedlungspolitik im Dezember 1996 sogar
wieder als "absolutely an obstacle to peace" bezeichnet, das die ohnehin sehr brüchige Vertrauensbasis zwischen
Netanyahu und Arafat noch weiter zerstört.
In der israelischen Presse wurde die Situation mit Sprüchen wie: "Labour baute >leise<, Likud baut >laut<" oder " A
Likud government announces ten settlements but builds only one, while a Labour government announces one but builds ten"
treffend skizziert.
Labour hatte die Palästinenser davon überzeugt, daß Frieden und Siedlungen sich nicht gegenseitig ausschließen müssen.
Likud dagegen frischt nun die Idee von Greater Israel wieder auf und schließt von vornherein eine palästinensische
Unabhängigkeit aus, mit der Folge einer Verhärtung der palästinensische Haltung.
Die Labour-Regierung hatte den Palästinensern immer noch Hoffnung gegeben. Dies war auch die Grundlage für die
Konzessionsbereitschaft seitens der PLO, die natürlich wußte, daß es mit einer Likud-Regierung größere Probleme geben
würde.
Zu Zeiten der Labour-Regierungen war für die Palästinenser also der Fortgang des Friedensprozesses
wichtiger, als der für sie entstehende Schaden durch die Siedlungspolitik. Diese Situation änderte sich nun infolge der
ideologischen Likud-Rhetorik.
Netanyahu weicht mittlerweile immer stärker von dem Kurs der gegenseitigen Verhandlungen ab, hin zu einem Kurs der
einseitigen Entscheidungen. Die Oslo-Verträge, die sehr schwammig formuliert sind, funktionieren nicht wie feste
Verträge. Was den Prozeß am Leben hielt, war die Überzeugung eines gemeinsamen Unternehmens.