LABOUR- Ära 1992-1996: Die Siedlungs-Policy
1992 erlitt die rechte Koalition unter Premierminister Shamir eine vernichtende Wahlniederlage und Y. Rabin wurde zum zweitenmal nach1974 Premierminister.
Seine Koalition mit dem linken Meretz-Bündnis stand mit nur 56 von 120 Abgeordneten auf wackeligen Füßen. Ein weiterer
Koalitionspartner, die Schass-Partei, zog sich 1993 nach Korruptionsskandalen ihrer Minister aus der Regierung zurück,
so daß die Regierung auf die fünf arabischen Abgeordneten angewiesen war. Doch trotz dieser Ausgangslage wurden in Rabins Regierungszeit die Siedlungen stärker als unter allen vorherigen Regierungen
ausgebaut.
Rabins Siedlungspolitik stand in erster Linie unter dem Zeichen der Sicherheit.
Israel sollte weiterhin die strategische Kontrolle über die Westbank beibehalten, Attacken auf israelische Städte
sollten verhindert werden und die Sicherheit der Siedler gewährleistet sein.
Konkret gab er die Zusicherung, keine neuen Siedlungen zu errichten, keine Konfiszierungen für die Siedlungsausweitung
zu genehmigen und während der Interimsperiode des eingeleiteten Friedensprozesses keine Verhandlungen über die
Siedlungen zu führen.
Jüdische Siedlungen waren für Rabin immer ein Zeichen für die andauernde Vitalität des Zionismus und seiner "moral
vision". Sie erfüllten ihren Dienst, indem sie die Araber zwangen die jüdische Souveränität de facto hinzunehmen und
zu verhandeln. Im Kontext der neuen Realität der 90er Jahre, mit einem selbstbewußten und starken Staat Israel
revidierte Rabin seine Haltung etwas. Für Rabin war nunmehr nicht jede Siedlung notwendig, wie damals im Kampf um die
Unabhängigkeit. Zu dem Zeitpunkt, an dem die Araber Israel anerkennen, sind Siedlungen in der Westbank eher ein
Hindernis für den Frieden.
Rabin differenzierte gleichwohl zwischen sicherheitspolitisch relevanten und ideologischen Siedlungen, d.h. er
bezeichnete nicht alle Siedlungen als Friedenshindernis.
In erster Linie lehnte er die unter den Likud-Regierungen gegründeten politisch-ideologischen Siedlungen (50 Siedlungen
im Norden und bei Hebron mit zus. < 20 000 Einwohnern) in den arabisch besiedelten Gebieten ab. Trotz seiner starken
Ablehnung wollte er diese politischen Siedlungen allerdings nicht automatisch räumen lassen, sondern sie als
Verhandlungsbasis mit den Palästinensern benutzen, um bei Bedarf einige dieser Siedlungen für einen Friedensvertrag zu
räumen.
Ein Beispiel für Siedlungen, die dem Friedensprozeß hinderlich sind, ist de Katif-Siedlungsblock im Süden des
Gaza-Streifens.
Als Kompensation für die geräumten Siedlungen im Sinai errichtet, erweisen sich diese Siedlungen mit knapp 5 000
überwiegend religiösen Siedlern als ein großes Problem, das große Spannungen erzeugt, das Klima vergiftet und ungewisse
Risiken birgt.
Die wenigen kleinen Siedlungen im Gaza-Streifen kontrollieren die Hälfte des Küstengebietes und die isolierte Siedlung
Netzarim, in der 31 Familien mit 150 Personen leben, teilt das Gaza-Gebiet in zwei Teile. Durch diese Siedlung kann
Israel die Hauptverkehrsstraße zwischen den nördlichen und südlichen palästinensischen Siedlungsgebieten kontrollieren,
in dem bis zu eine Million Palästinenser leben.
Solche Siedlungen waren für Rabin durchaus Verhandlungsbasis für eine eventuelle Rückgabe gegen entsprechenden
Gegenleistungen auf anderen Gebieten. Folgerichtig erhielten diese ideologischen Siedlungen von der Rabin-Regierung
nur eine geringe finanzielle Unterstützung.
Anders verhielt sich die Lage bei den Siedlungen, die seinem Sicherheitskonzept entsprachen und durchweg in den
Gebieten lagen, die schon im Allon-Plan als israelisches Gebiet ausgewiesen waren.
Höchste Priorität hatten die Region Greater Jerusalem sowie die Siedlungen entlang der offiziellen Staatsgrenze.
Nahe an den Ballungsräumen Tel Aviv und Jerusalem gelegen, sollten diese Siedlungen ins israelische Staatsgebiet
integriert werden. Mithilfe dieser Grenzverschiebung sollte der Schutz des nahen Küstengebietes erhöht werden.
Im Rahmen der Verhandlungen über den Kreditvertrag mit den USA hatte Rabin einen Baustopp in den besetzten Gebieten
verkündet, mit nur einer entscheidenden Ausnahme: Ost-Jerusalem bzw. Greater Jerusalem, denn
Greater Jerusalem bildet das Kernstück der israelischen Siedlungspolitik .
Der Begriff Greater Jerusalem, der bisher nur die Stadtgrenzen Jerusalems, samt der in der Westbank gelegenen
Siedlungsororte wie French Hill, Gilo und Neve Ya`acov, einbezog, wurde zu einer Zone mit einer zusätzlichen Fläche von
100 Quadratmeilen, erweitert, die sowohl den Etzion-Block und im Süden, Maale Adumim im Osten und Givat Zeev im Norden
umfaßte. In dieser Region lebten 1993 ca. 70 % der jüdischen Siedler und 10 % der Westbank.
Diese Verdichtung in Ost- bzw. Greater Jerusalem wurde auch von den meisten Politikern des linken
Koalitionspartners Meretz unterstützt, denn mit dem politischen Konzept Greater Jerusalem soll die Vision einer
ungeteilten jüdischen Hauptstadt verwirklicht werden.
Rabin setzte die Politik seiner Vorgänger fort, den jüdischen Siedlungsraum um Jerusalem zu einem verbundenen
Siedlungsband zu verdichten. Nach einem Rabin-Plan aus dem Jahre 1993 sollten im Großraum Jerusalem bis zum Jahr 2002
weitere 20 000 Wohneinheiten gebaut werden, womit sich seine Planungen in diesem Bereich nicht sehr von den
Planungen des Ariel Sharon unterschieden.
Es muß jedoch erwähnt werden, daß Rabin nicht alle Bauprojekte in Jerusalem genehmigte. Vier Bauprojekte in besonders
sensiblen arabischen Gebieten, die die vorherige Likud-Regierung begonnen oder genehmigt hatte, ließ er stoppen, um
nicht unnötige Spannungen zu erzeugen. Eines der Projekte, Har Homa, nahm Premierminister Netanyahu 1997 wieder auf,
mit absehbaren schwerwiegenden Folgen für den Friedensprozeß.
Wie sensibel die Landfrage in Jerusalem ist, erfuhr Rabin im Mai 1994, als er die umfangreichste Konfiszierung in
Ost-Jerusalem seit 1980 ankündigte. 53 acre arabisches Land sollten für den jüdischen Siedlungsausbau genutzt werden.
Nachdem Israel seit 1967 schon 1/3 des arabischen Landes in Jerusalem für jüdische Siedlungen enteignet hatte, rechnete
Rabin wegen der 53 acre nicht mit dem folgenden internationalen Widerstand gegen seine Entscheidung. Selbst in seinem
eigenen Kabinett heftig umstritten, weckte diese Maßnahme, kurz nach der Unterzeichnung des Oslo-Vertrages, Zweifel an
Rabins Friedenswillen und an seiner Bereitschaft zu gegenseitigen Konsultationen mit den Palästinensern.
Er verletzte mit seiner Entscheidung zwar nicht formal den Oslo-Vertrag, aber er verstieß gegen den Geist von Oslo.
Letztendlich mußte Rabin nach acht Tagen seine Entscheidung wieder rückgängig machen, da er auf die Unterstützung von
fünf arabischen Abgeordneten angewiesen war, die ihm seine Unterstützung verweigerten.
Einen dritten Schwerpunkt Rabins bildeten die 27 Siedlungen im Jordantal, in denen zwar nur 5 000 Siedler lebten, die
aber sicherheitspolitisch für Israel sehr wertvoll sind.
Rabins policy der "territorial separation" zielte letztlich auf jeweils geschlossene arabische und
jüdische Siedlungsgebiete vor, die nebeneinander bestehen.
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