Der Kampf des italienischen Staates gegen die Mafia war über lange Jahre von einer unentschlossenen bis gleichgültigen Haltung geprägt. Aufgrund der dargestellten Klientelbeziehungen von führenden Politikern zu Mafiabossen kann leicht der Schluß gezogen werden, daß die ständigen Blockaden der Justiz und der Polizei bei der Bekämpfung der Mafia auf Betreiben von involvierten Politikern zurückzuführen ist. Zahlreiche Politiker des Fanfani- und des späteren Andreotti-correnti der DC (Andreotti`s Hauptbasis lag in Sizilien), standen oder stehen in Verdacht, die Mafia begünstigt und protektiert zu haben.
1962/63 gab es die erste parlamentarische Untersuchungskommission über die Mafia nach dem 2. Weltkrieg, die zu zahlreichen Verhaftungen führte, letztlich aber relativ erfolglos war, zumal Ende 1963 ein mafiaverstrickter DC- Führer aus Sizilien Mitglied der Kommission wurde und den Konsens zerstörte bis hin zur Sabotage der Kommission.
Die 2. parlamentarische Untersuchungskommission , die 1976 abgeschlossen wurde, war auch nicht erfolgreicher und der Abschlußbericht wurde schließlich unerreichbar im geheimen Staatsarchiv verschlossen.
Auch der erste große Prozeß gegen die Mafia ( Prozeß der 114) endete, nachdem bei den Voruntersuchungen tausende Mafiosi nach Nord- und Mittelitalien verbannt wurden, nur mit milden Urteilen und 100 Freisprüchen. In weiteren Prozessen hatten die Mafiosi der oberen Ebene, der juristischen und politischen Protektion sicher, meistens nichts zu befürchten und konnten relativ unbehelligt agieren. Diese scheinbare Ohnmacht des Staates förderte den Mythos von der Unangreifbarkeit der Mafia, der einen großen Teil der Machtposition ausmachte.
Erste Anzeichen einer Veränderung traten Ende der 70er Jahre mit dem Aufstieg des sehr brutalen Corleone-Clans auf, der auf Sizilien mit einer beispiellosen Terrorwelle nicht nur die Hauptkonkurrenten eliminierte, sondern erstmals auch hohe Vertreter des Staates, wie den sizilianischen Ministerpräsi-denten Mattarella oder den kommunistischen Abgeordneten Pio La Torre, der ein Anti-Mafia-Gesetz entworfen hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Mafia sich mit Attentaten auf Staatsvertreter stets zurückgehalten, da sie stets die verstärkte Aufmerksamkeit des Staates auf die Mafia und auf Sizilien nach sich ziehen, mit negativen Konsequenzen für die Geschäfte der Mafia und eventuelle Verfolgungsmaßnahmen.
Als Reaktion auf die Terrorwelle wurde A.Dalla Chiesa , der durch seine Erfolge bei der Bekämpfung der Roten Brigaden zum Symbol polizeilicher Effizienz geworden war, 1982 als Präfekt der Provinz Palermo eingesetzt mit der Zusicherung umfangreicher Kompetenzen für eine wirksame Bekämpfung der Mafia, die aber letztlich doch nicht eingehalten wurden. Dalla Chiesa begann erstmals mit dem Versuch eine wirksame Infrastruktur für die Bekämpfung der Mafia aufzubauen, auch wenn er keine große Unterstützung des Staates erhielt.
Seine Ermordung am 3.9.1982 nach nur 100-tägiger Amtsdauer zeigte allerdings, daß die Mafia in ihm einen ernstzunehmenden Gegner sah.
Dieser Mord führte jedoch in der italienischen Öffentlichkeit zu einem Aufschrei und der öffentliche Druck führte schließlich doch noch zur Errichtung eines zentralen Hohen Kommissariats für den Kampf gegen die Mafia mit den von Dalla Chiesa geforderten Kompetenzen. Zudem wurde das sogenannte La- Torre-Gesetz verabschiedet, daß durch die Einführung der Mafiamitgliedschaft als Straftat die strafrechtliche Verfolgung typischer Mafiamethoden über die tatsächlich begangenen Straftaten hinaus ermöglichte und die Einziehung von illegal erworbenem Vermögen genehmigte. Dabei wurde die Mafia wie folgt definiert:
"Eine Vereinigung ist mafios, wenn diejenigen, die ihr angehören, sich der Einschüchterung aufgrund einer Bindung in Vereinigungen und von Abhängigkeitsverhältnissen und der daraus entspringenden Verschwiegenheitspflicht bedienen zum Begehen von Verbrechen, zum direkten oder indirekten Ansichziehen der Leitung oder der Kontrolle ökonomischer Aktivitäten, öffentlicher Konzessionen, Zulassungen, Aufträge und Dienstleistungen, oder zum Erzielen unrechtmäßiger Profite und Vorteile für sich oder andere."
Durch diese sehr genaue Definition konnten endlich die juristischen Hintertüren geschlossen werden, derer sich die Mafia oft bedient hatte. Erstmals konnten mit einer verdachtsanalogen Überprüfung von Familienmitgliedern und Geschäftsfreunden auch zahlreiche Strohmänner enttarnt werden. Darunter befanden sich auch Politiker, wie der ehemalige Bürgermeister von Palermo, Vito Ciancimino (Fanfanier/DC).
Im Rahmen des Anti-Mafia- Gesetzes wurde 1982 auch das sehr weitreichende Autonomiestatut der Region Sizilien eingeschränkt. Kernpunkte dabei waren die Aufhebung der regionalen Bankenaufsicht und der regionale Oberaufsicht des Regierungspräsidenten über alle nach Sizilien entsandten Ordnungskräfte.
Das Bündel von neuen Möglichkeiten bei der Mafiabekämpfung zeigte schon nach kurzer Zeitspanne ihre Wirkung.
Im Laufe der 80er Jahre gab es infolge dieses neuen Gesetzes zahlreiche Verhaftungen und Beschlagnahmungen in Höhe von mehreren 100 Milliarden Lire.
Institutionell wurde durch die Gründung des Richter-Pools in Palermo mit den energischen Richtern Falcone und Borsellino eine neue Qualität erreicht. 1986/87 führten sie die Anklagen im MAXI-Prozeß (17.12. 87 beendet), in dem 344 Angeklagte, darunter zahlreiche führende Mafiosi, zu teilweise lebenslangen Strafen verurteilt wurden. Grundlage für diesen Prozeß waren Aussagen von Mafiaaussteigern (pentiti) im Rahmen der Kronzeugenregelung, die nach dem Einsatz gegen den linken Terrorismus nun auch bei der Mafiabekämpfung ihre sehr erfolgreiche Wirkung zeigte.
Durch Aussagen des führenden Mafiabosses Buscetta gewannen die Ermittler erstmals einen vollständigen und intimen Einblick in die Organisation und das Vorgehen der Mafiafamilien.
Nach gewohntem Muster konnten die Mafiosi jedoch nochmals ihre diskrete Protektion durch italienische Politiker in Anspruch nehmen, denn die meisten Urteile wurden in der Revision vor dem Kassationshof aufgehoben. Der Vorsitzende Richter Carnevale war berüchtigt dafür, daß er regelmäßig die Mafiaurteile in der Revision wieder aufhob. Im Rahmen der Umwälzungen Anfang der 90er Jahre wurde er schließlich 1991 vom erneuten Revisionsver-fahren über den Maxiprozeß ausgeschlossen und es wurde gegen ihn selbst ermittelt, wegen Kontakten zur Mafia. Auch die Versetzung von engagierten Richtern und die Auflösung des Richter-pools sind wohl auf politische Einflußnahmen von Mafiafreunden zurückzuführen.
Die Staatsanwälte im Maxi-Prozeß Falcone und Borsellino blieben jedoch die treibenden Kräfte bei der Verfolgung der Mafia und hatten zunehmend Erfolge, begünstigt durch die schwindende Macht der alten Politikergarde, die im Korruptionssumpf unterging.
Der Fall Salvo Lima zeigte, daß auch mafiaverstrickte Politiker vor der Rache der Mafia nicht sicher sind. Lima war als Bürgermeister von Palermo (1959-64) ein Vorreiter des Paktes zwischen der Mafia, der öffentlichen Verwaltung und Baufirmen und galt als langjähriger Verbindungsmann Andreottis in Sizilien. 1992 wurde der nunmehrige Europaabgeordnete Lima dann von Mafiakillern ermordet. In der Öffentlichkeit wurde dieser Mord auch als Warnung der Mafia an Andreotti gewertet, da dieser die Protektion als seine Gegenleistung für die Wahlstimmen der Mafia nicht mehr gewähren konnte.
Als die beiden Starermittler Falcone und Borsellino im Mai bzw. Juli 1992 von der Mafia ermordet wurden, erreichte die öffentliche Empörung ihren Höhepunkt und ermöglichte als Reaktion die Verabschiedung eines neuen schärferen Anti-Mafiagesetzes: ( Juni 1992)
- keine Haftverschonung
- keine Beanspruchung der teils sehr liberalen Bestimmungen des Strafrechts
- größere Autonomie der Polizei bei den Ermittlungen
- Zeugenaussagen bei der Untersuchung können vor Gericht nicht mehr zurückgenommen werden
- besserer Zeugenschutz
- Durchsuchung ohne richterliche Anordnungen (in bestimmten Fällen)
Explizit wurde sogar der Handel zwischen Mafia und Politikern um Wählerstimmen als Straftat eingeführt, mit einer Strafe bis zu 6 Jahren Haft.
Im August 1992 wurden dann weitere Strafvergünstigungen für pentiti (Kronzeugen) beschlossen, da sie das entscheidende Instrument für die waren.
Angesichts der Schwäche der traditionellen Parteien und der zerfallenden Klientelnetze faßten viele pentiti Vertrauen in die Justiz und berichteten erstmals auch über die politische und juristische Protektion der Mafia. Ende Mai 1993 gab es schließlich 388 pentiti und 2 000 Angehörige standen im Schutzprogramm der Regierung. Bis 1996 stieg dann die Zahl der pentiti auf 1200 , wobei unter den pentiti zunehmend auch hohe Mafiabosse vertreten waren, wie 1996 Brusca.
Ende 1992 wurde schließlich die Direzione Nazionale Antimafia gegründet, eine Superstaatsanwaltschaft nach dem Vorbild des amerkianischen FBI.
Alle diese Maßnahmen zur Stärkung der Strafverfolgung führten zu großen Erfolgen in den Jahren 1993/94, als zahlreiche führende Mafiosi verhaftet werden konnte.
Berlusconi schwächt die Verfolgungsbehörden
Unter der Regierung von Berlusconi verschlechterten sich die Ermittlungsbedingungen der Mafiajäger enorm. 2001 legte ein neues Gesetz eine Frist von 6 Monaten nach der Verhaftung fest. Innerhalb dieser Frist muss ein Mafia-Kronzeuge alles auspacken, was er weiss. Wenn er danach noch etwas sagt, kann es nicht mehr in Verfahren verwendet werden. bedenklich, da viele Mafioso in der Regel einige Monate warten, bis sie Vertrauen gefasst haben.
Noch spürbarer wurden wurden die Veränderungen im Personalbereich. Die Posten für die Mafiafverfolgung wurden gekürzt und die Mittel zunehmend gestrichen. Bedenklich auch, die Streichung von gepanzerten Limousinen und Bodyguards für viele Ermittler.
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