Die Grundelemente traditioneller mafioser Strukturen sind die cosca (Familie) und das partito-Geflecht zu politisch einflußreichen Personen. Entscheidend dabei ist die strategisch optimale Position des mafioso als Mittler von Leistungen, Gütern und Informationen zwischen Mitgliedern der cosca und den Personen des partito.
Der innere Kern der cosca besteht in erster Linie aus der biologischen Verwandtschaft. Durch Heiraten und Patenschaften wird darüberhinaus eine weitere Verflechtung der Gefolgschaft angestrebt, denn diese Bindungen besitzen die stärkste bindende Kraft für die Gruppe. Bindungen, die darüber hinausgehen, wie z.B. gemeinsame geschäftliche Interessen oder das allgemeine Zugehörigkeitsgefühl zur cosa nostra sind nur sekundär und damit zwangsläufig labil.
Die cosca in ihrem Kern ist nicht sehr groß und umfaßte traditionellerweise 10 bis 20 Personen. Auf der 2. Ebene gibt es die zahlreichen Verwandten und Freunde der cosca- Mitglieder, die bei Bedarf für spezielle Aktionen rekrutiert werden können. Mitglied der Mafia im engeren Sinne sind aber nur die cosca-Mitglieder, d.h. Blutsverwandte und einige verdiente Mitglieder aus dem Umfeld, die nach einer eingehenden Prüfung offiziell aufgenommen werden.
Das zweite Standbein der Mafia ist das partito.
Ein Beispiel für das Funktionieren des partito schilderte der pentito (Kronzeuge) Calderone dem Soziologen und Mafiaexperten Arlacchi : Die mafiose Calderone-Familie sicherte die reiche Bauunternehmerfamilie Costanzo, die nicht zur Mafia gehörte, vor Entführungen und Erpressungen und schützte die Großbaustellen der Firma. Daneben beschaffte sie den Costanzos über mafiose Kontakte öffentliche Aufträge in ganz Sizilien, verhandelte mit anderen Mafiafamilien, wenn deren Territorium von den Baustellen betroffen war und schüchterte die Konkurrenz sowie die Arbeiter ein. Dafür erhielt sie neben einer großzügigen Entlohnung und Beteiligung eine juristische Protektion von den Costanzos, die über weitreichende politische Kontakte verfügten.
Beide Seiten profitieren in diesem Falle von der Zusammenarbeit.
Damit dieses System funktioniert, muß es gewisse Regelungsmechanismen zwischen den verschiedenen Mafiafamilien geben. Die Koordination der verschiedenen Mafiafamilien untereinander ist zwar formal geregelt, aber instabil.
Als Ganzes besteht die cosa Nostra (eigener Ausdruck der Mafia für ihre Organsation) aus verschiedenen Mafiafamilien, die in ihren jeweiligen Gebieten autonom sind, d.h. es besteht eine klare räumliche Abgrenzung. Durch Wahl wird eine Provinz- und eine Regionalkommission (cupola) aus Vertretern der einzelnen cosca konstituiert, um die Koordination bei Streitpunkten zu gewährleisten. Einige Mafiaführer zielten mit der cupola auf eine Zentralisierung der Mafia, die jedoch de facto nicht funktionierte. Dies zeigten die blutigen Kämpfe zwischen Mafiafamilien zu Beginn der 80er Jahre.
Allgemein gilt, daß unter den Bedingungen der Illegalität größere Organisationen auch größere Schwierigkeiten und Risiken mit sich bringen und die Tendenz zu kleineren Unternehmen gefördert wird. Die Illegalität führt dazu, daß das Geschehen auf diesen Märkten unsicherer und risikoreicher ist als auf den legalen. Eigentumsrechte sind nicht dokumentiert, der Besitz ist durch Beschlagnahme oder Diebstahl/Raub durch Konkurrenten bedroht. Der Kapitaleinsatz ist in der Regel sehr hoch und die Qualität der Waren variiert stark. Verträge sind nicht schriftlich fixiert und die Bonität der Handelspartner ist nur schwer zu überprüfen.
Anlässe zu Mißtrauen, Betrug und Konflikten gibt es also in einer großen Anzahl, aber natürlicherweise kann das staatliche Rechtssystem nicht als Schlichtungs- und Zwangsinstanz in Anspruch genommen werden. Deshalb sind Vertauen und Gewalt die entscheidenden Mittel um die Transaktionskosten gering zu halten. Je enger die familiäre Bindung ist, desto größer ist das Vertrauen und die Sanktionsmöglichkeit. Eine gegenseitige Anerkennung als uomo d`onore (Ehrenmann) ist gleichbedeutend mit einem Vertauensverhältnis, da ein Mafioso mit seinem Wort und seiner Tat für die Bonität und Vertragstreue oder Sicherheit einsteht.
Bei der Gewalt ist nicht die Anwendung der Gewalt entscheidend, da sie meistens kontraproduktiv ist, sondern die glaubhafte Androhung von Gewalt.
Normen, Werte und Eigenschaften der Mafiosi
- Ausspionieren und Schweigen
- umfassende Informationen über Käufer und Verkäufer sind fundamental für die Garantie und den Schutz (auch als Mittel, um eventuelle Repressionen durchzusetzen)
- umfassende Inforamtionsnetze, die die ganze Familie und Freunde umfaßt
- Gewalteinsatz
- als negative Sanktion grundlegend für die Garantiegebung (Abschreckung)
- zur Durchsetzung vonVerträgen zwischen geschützten Partnern
- bei Konkurrenz zwischen verschiedenen Schützern (Anhebung des Ansehens und des glaubwürdigen Schutzes = hohe Reputation)
- bei der Nachfolgeregelung (Probleme der Übertragung der Reputation und Konkurrenz innerhalb der Familie)
= je stabiler und durchorganisierter eine Mafiafamilie ist (hohe Reputation), desto geringer die Gewalt
(auch bei abnehmender Machtmitteln, kann die hohe Reputation das Überleben einer Familie weiter sichern)
- Werbung
- großzügige Gesten
- kleine "kostenlose" Dienstleistungen im Alltag
- religiöse Ehrfurcht
- keine Polizisten/Richter in der Verwandtschaft
- keine Kontakte zu Ordnungshütern (dies wäre ein Eingeständnis, daß man nicht selber für Schutz sorgen kann)--Selbstjustiz
- strenge Regeln auf sexuellem Gebiet/untadeliges Familienleben
- Verbot der Simulation des Irreseins vor Gericht (man soll für seine Taten einstehen)
- Schweigepflicht (omerta)
- Zurückhaltung
- exakte/präzise Infos
- keine Lügen untereinander
- kein Wechsel zwischen den Familien
- lebenslange Mitgliedschaft
Seitenanfang