Die italienischen Mafia-Ermittler gehen davon aus, daß die Mafia in Sizilien von B. Provenzano geführt wird, ein alter Mafia-Veteran, der1958 mit dem späteren Boss aller Bosse, Toto Riina, und L. Liggio den damaligen Boss aller Bosse, Navarra, ermordete. 1963 tauchte er unter und Ermittler gingen davon aus, daß er nicht mehr am Leben sei. Doch in den 90er Jahren verdichteten sich die Erkenntnisse, daß er noch lebte, auch wenn er sein Aussehen durch Operationen verändert hatte.
Provenzano favorisiert eher den ruhigen Kurs statt auf sinnlose Gewalt zu setzen. Er gilt eher als "Consiglieri" und fördert die wirtschaftlichen Aktivitäten der Mafia. Er ordnete die internen Angelegenheiten zwischen den verschiedenen Mafiafamilien mit dem Ergebnis, daß es weniger Mafia-pentiti (aussagewillige Kronzeugen) gibt. Dies dürfte aber auch an der zunehmenden Aufweichung der Kronzeugen-Programmes durch staatliche Stellen liegen.
Insgesamt führen 8 Statthalter die Mafia in Sizilien, darunter auch der verhaftete Antonio Giuffre, der 2002 Berluconi und seine Forza Italia schwer belastete. Er bestätigte deren Kontakte zur Mafia und finanzielle Verwicklungen.
Mittlerweile wird aufgrund von diversen pentiti-Aussagen auch über eine dritte Ebene oberhalb der Kommission spekuliert. Ob eine solche "terto livello" wirklich besteht ist jedoch unsicher.
Bei den Wahlen 2001riefen die Mafiabosse in Sizilien zur Wahl der Forza Italia Partei von SIlvio Berlusconi auf, mit dem erstaunlichen Ergebnis, daß Forza Italia in Sizilien alle Direktmandate gewinnen konnte. Doch die Gegenleistung der politischen Seite ist für die Mafiabosse bis heute nicht befriedigend. Die Koalitionspartner von Berlusconi setzten nach den Wahlen Haftverschlechterungen durch, zahlreiche Mafiosi wurden verhaftet und die Konfiszierung von Mafia-Privateigentum wurde erleichtert.
71 einsitzende Mafiosi reagierten darauf im Juni 2002 mit einem Hungerstreik, um die Haftbedingungen zu verbessern. Vorausgegangen war im Frühjahr 2002 ein "Friedensangebot" des Mafiaführers Pietro Aglieri, der unter bestimmten Bedingungen mit seinem Gefolge Frieden mit dem Staat schließen wollte. Der Staat reagierte jedoch nicht.
Mittlerweile ist die Mafia zu mehr oder minder offenen Drohungen übergegangen. Erkenntnisse des Italienischen Inlandsgeheimdienstes Sisde (nach Aussage der Zeitung La Republicca) bestätigen Ende 2002 indirekt die Vorwürfe der Zusammenarbeit zwischen Forza Italia und Mafia.
Mafioso drohen mittlerweile mit der Ermordung von Berlusconi-Mitarbeitern, da die neuen Justizgesetz in erster Linie Berluconi und Mitarbeiter schützen und nicht (wie versprochen?) die Mafia. Im Visier der Mafia sind Marcello dell Utri und Cesare Previti, also genau die Mitarbeiter, denen die Zusammenarbeit zur Mafia vorgeworfen wird und als Mittelsmänner gelten. Eine Ermordung wäre eine Parallele zum Beginn der 90er Jahre, als Andreottis Mittelmänner zur Mafia, Salvo und Lima, ermordet wurden, als die politische Seite ihren Schutz nicht mehr garantieren konnte.
Als Gegenleistung für die Wählerstimmen möchte die Mafia eine schon diskutierte Änderung der Kronzeugenregelung erreichen: Aussagen von Mafia-Kronzeugen sollen nur dann Beweiskraft erlangen, wenn sie durch objektive Beweise gestützt werden. Mit diesem Mittel ließen sich alle Mafia-Prozesse aushebeln und durch eine beantragte Revision der bestehenden Urteile könnten auch bereits inhaftierte Mafiabosse auf freien Fuß gelangen.
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